I. Vorgeschichte

Die Menschen haben seit altersher ein ambivalentes Verhältnis zum Feuer. Seine Entdeckung, die Möglichkeit, es jederzeit künstlich zu erzeugen, brachte unseren Vorfahren Wärme, Kraft und Licht, aber gleichzeitig auch die Gefahr der Zerstörung. Die Faszination, die von Flammen ausgeht, ihrem Farben und Formenspiel, konnte schnell in Furcht und Entsetzen umschlagen, wenn man ihre Macht nicht zu bändigen wusste.


Mit der Entstehung größerer menschlicher Ansiedlungen wurden diese anfällig gegen die Zerstörungswut des Feuers. Ob im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen, wie im Fall der Stadt Düren im Jahre 1543, durch Fahrlässigkeit oder andere Ursachen: eine Siedlung, ein Dorf oder eine Stadt waren durch den „roten Hahn" manchmal Innerhalb weniger Stunden in Schutt und Asche gelegt. Auch Gürzenich erlebte dieses Schicksal mindestens einmal in seiner Geschichte. Am 2. Dezember 1751 wütete ein Großbrand dermaßen gründlich, dass, so lassen überlieferte Dokumente schließen, bis auf die Kirche, das Pfarrhaus und wenige andere Häuser das gesamte Dorf ein Opfer der Flammen wurde. Insgesamt 87 Häuser sollen vernichtet worden sein. Das angeblich von spielenden Kindern verursachte Feuer, begünstigt durch einen starken Sturm, hinterließ eine verwüstete Einöde, aus der erst im Verlauf der nächsten Jahrzehnte wieder ein Dorf entstand. Das für uns heute schwer vorstellbare Ausmaß eines solchen Großbrandes wurde durch vielerlei Faktoren begünstigt. Auf der einen Seite scheiterte der passive Brandschutz bei der Konstruktion und Ausführung von Gebäuden meistens an der Kostenfrage. Beispielsweise versuchten die Behörden noch im letzten Jahrhundert, oft vergeblich, auf dem Verordnungswege die Strohdächer durch Ziegeldächer ersetzen zu lassen. Das jedoch konnten sich die meisten Hausbesitzer, zumal auf dem Lande, einfach nicht leisten. Auf der anderen Seite erfolgte die Bekämpfung eines einmal ausgebrochenen Brandes im Wege der Nachbarschaftshilfe, meist mit völlig unzureichenden Mitteln und damit oft genug aussichtslos.

Wohl im Gefolge des großen Brandes von 1751, wenngleich erst fast vierzig Jahre später, entschloss sich die Gemeinde Gürzenich zur Anschaffung einer Brandspritze. Dieser Schritt wollte wohl überlegt sein, kostete ein solches Gerät doch die für damalige Zelten erhebliche Summe von 94 Reichsthalern. Bestellt wurde sie bei dem Pumpenmacher Johannes Palmus aus Merken, der vertraglich verpflichtet wurde, „eine gute, mit Rohren versehene, und dem anderen was dazu nötig und gehörige" Spritze zu liefern.


Immerhin brauchte er zum Bau ein ganzes Jahr. Die Kosten für diese erste „Prantsprötz" wurden auf die 127 in Gürzenich lebenden Männer umgelegt, so dass jeder 45 Stüber zu zahlen hatte.

 

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Ein solches Gerät hob zweifellos das Prestige einer Dorfgemeinschaft. Daher hatte es Vergleiche mit anderen Brandspritzen gefälligst siegreich zu bestehen. Also zog man zu diesem Zweck, nachdem sie unter dem Beifall der Dorfbewohner geliefert worden war, mit der Brandspritze nach Gut Mozenborn, um sie mit der der Gemeinde Birgel zu vergleichen. Da Birgel kleiner war als Gürzenich, hatten demzufolge auch die beiden Geräte diese Verhältnisse widerzuspiegeln. Es ist überliefert, dass der zufriedenstellende Ausgang dieser Operation mit einem großen Gelage gefeiert wurde.

 

Nun stellte sich allerdings ein anderes Problem: Wohin mit der Brandspritze? Wo sie vor dem Bau des alten Spritzenhauses an der Steinmaar untergebracht war, ist nicht mehr bekannt. Jedenfalls wurde dieses Gebäude erst Mitte des letzten Jahrhunderts errichtet. Es stand, sicherlich für diesen Zweck außerordentlich gut platziert, mitten am Eingang zur Steinmaar, mit dem Tor zur Hauptstraße.

Es lässt sich leicht denken, dass der Bau eines solchen festen Hauses die Gemeindekasse nicht unerheblich belastete. Also beschloss man, es nicht nur zur Unterbringung der Brandspritze und anderer Geräte, z.B. des Totenwagens, zu nutzen, Von der rechten Seite aus gelangte man in zwei Zimmer, deren hinteres als „Asyl" für Unholde aller Art und sonstige, in polizeilichen Gewahrsam gehörende Personen diente. Das vordere sah eher gesellige Versammlungen, etwa zu Schützenfest, wenn hier die Wache ihr Domizil aufschlug. Manches Fass Bier soll bei diesen Anlässen geleert worden sein.

 

 

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Im Obergeschoß schließlich wurden die Geschicke des Dorfes bestimmt, denn hier tagten im Ratszimmer der Bürgermeister und die Gemeinderäte fast ein Jahrhundert lang. Das Spritzen haus, dass sogar den 2. Weltkrieg überstanden hatte, musste endlich den Erfordernissen der Moderne, in Bezug auf den Brandschutz einerseits, in Bezug auf den Verkehr andererseits, weichen. Am 7. Juli 1962 wurde es dem Erdboden gleichgemacht. Die Existenz einer Brandspritze und eines Gerätehauses legt die Vermutung nahe, dass es auch zu dieser Zeit schon so etwas wie eine Feuerwehr gegeben hat, auch wenn uns darüber keine zuverlässigen Nachrichten vorliegen. Vielleicht handelte es sich um eine lose, ohne größere Organisation agierende Gruppe, die sich als eine Art frühe Bürgerinitiative die Bekämpfung auftretender Brände zur Aufgabe gemacht hatte. Jedenfalls finden sie bei den ersten vorliegenden Zeitungsmeldungen über Brände in Gürzenich zunächst keine Erwähnung.

 

 

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Eine „freiwillige Wehr Gürzenich" begegnet uns zum ersten Mal in einem Bericht über einen Brand in Birgel!
Wegen dieser Tatsache und der besonderen Umstände dieses Brandes sei dieser Bericht hier vollständig zitiert:
„In dem Dorfe Birgel brach am Sonntag gegen Abend in dem Gehöfte eines Wirtes Feuer aus, welches mit solcher Schnelligkeit um sich griff, dass in kurzer Zeit eine mit Frucht gefüllte Scheune und ein großer Stall in Asche gelegt wurden. Als man das Feuer entdeckte, hatten sich die Flammen bereits der genannten Gebäudlichkeiten so
sehr bemächtigt, dass nicht einmal die in der Stallung befindlichen 4 Stück Rindvieh und 2 Schweine gerettet werden konnten. Da ein sehr heftiger Nordwest herrschte, lag die Gefahr nahe, dass auch die nur etwa 30 Schritte von der Brandstelle abgelegene Birgeler Burg, das Stammschloß des durch die Sage vom `Wurmschnitt' bekannten und berühmten Ritters Veit von Birgel, welche jetzt Eigentum des Herrn Geh. Commerzienraths Leopold Schöller ist, eine Beute des entfesselten Elementes werde, weshalb ein reitender Bote nach Düren geschickt wurde, um Hülfe zu requirieren, in Folge dessen die Dampffeuerspritze, welche noch auf Groß-Tivoli stand, dorthin beordert wurde. Glücklicherweise aber war deren Eingreifen nicht nötig, da es inzwischen den vereinten Anstrengungen der Löschenden gelang, des Feuers Herr zu werden. Wie uns mitgeteilt wird, verdienen ganz besonders die freiwilligen Wehren von Lendersdorf und Gürzenich für ihre bei diesem Brande geleistete wirksame Hilfe volles Lob. Da dieses bereits die dritte Feuersbrunst ist, welche in letzter Zeit in Birgel entstanden, so vermutet man wohl nicht mit Unrecht, dass dieselben von ruchloser Hand herbeigeführt worden sind."

 

 

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So war diese Mannschaft ganz offenbar fachlich schon sehr qualifiziert. Dass sie anscheinend aber auch zu repräsentieren wusste, wird aus der Tatsache ersichtlich, dass sie neben vielen anderen Wehren am außerordentlich prächtigen Festzug aus Anlass des 9. Stiftungsfestes der Dürener Feuerwehr am 10. Juli 1881 teilnahm.
lm Oktober des Jahres 1881 ist es den „eifrigen Bemühungen der Gürzenicher Feuerwehr hauptsächlich" zu danken, dass der Brand in einem Gehöft in der Derichsweiler Dorfstraße „bei dem herrschenden Winde nicht noch weiter um sich griff." Einen Monat später ist wieder Derichsweiler Schauplatz eines großen Brandes. „Trotz der erstaunlichen Schnelligkeit mit welcher die Gürzenicher [2], Birkesdorfer [2], Langerweher, Schlicher, Mariaweiler, Echtzer und Derichsweiler Spritzen zu Hülfe eilten, fielen dem verheerenden Elemente dennoch zwei große Scheunen mit Holz etc., sämtliche umliegenden Stallungen und 5 Kühe zum Opfer." Bemerkenswert an diesem Bericht ist die Erwähnung von 2 Gürzenicher Spritzen, was auf eine relativ schlagkräftige, zahlenmäßig bedeutende und gut ausgerüstete Feuerwehr schließen lässt.


Erstaunlich ist jedoch, dass bei allen Zeitungsnotizen, die bis in die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts über Brände in Gürzenich selber erscheinen, nie von einer „(Freiwilligen) Feuerwehr" die Rede ist. Im Gegenteil, meistens lauten die Formulierungen wie im folgenden Artikel vom 10.9.1890: „Am Sonntagabend gegen 6 Uhr entstand in Gürzenich ein Brand, welcher drei hinter dem Wirthshause der Frau Witwe Schütz gelegene mit Frucht gefüllte Scheunen vernichtete. Von allen Seiten eilten die Einwohner zur Hülfe herbei, die Turner, welche gerade ihr Turnfest feierten, kamen sofort vom Festplatze zur Brandstelle, und in kurzer Zeit waren die Spritzen in voller Tätigkeit. Den Anstrengungen der Löschmannschaften gelang es, das stark gefährdete Wohnhaus der Frau Witwe Schütz zu erhalten; ..."


Dieser kurze Bericht gibt aber über noch etwas anderes Aufschluss: Wie auch hier, brachen die meisten Brände in Scheunen, Stallungen oder anderen Lagerräumen aus, Grund genug für die Annahme, dass unsachgemäß gelagertes Getreide oder Heu durch Selbstentzündung das Feuer entfachte. Nicht umsonst fallen viele dieser Brände in die Zeit von August bis November. Darauf weist auch ein Zeitungsartikel vom 11.11.1882 hin, der folgendes ausführt. „Schon seit geraumer Zeit sind Stall- und Scheunenbrände so zu sagen fast an der Tagesordnung und dürfte die Entstehung derselben in vielen Fällen auf die Einscheuerung von feuchtem Heu und Grummet, welches fest aufeinander gepresst, sich leicht selbst entzündet, zurückzuführen sein. Es ist dies um so mehr anzunehmen, als das Feuer öfter gerade an deren Lagerplätzen zum Ausbruch gekommen ist und sollten daher die Landleute, was wir schon wiederholt empfohlen es nicht versäumen, nicht ganz trocken eingeheimstes Heu oder Grummet häufiger zu untersuchen und sich so vor Schaden an Gut und Leben zu schützen...."