V. Auf dem Weg in die Moderne

Große Sorgen bereitete der Freiwilligen Feuerwehr Gürzenich schon seit Mitte der 50er Jahre der Zustand des Gerätehauses. Das von der Bevölkerung „Spritzenhaus" genannte Gebäude, mittlerweile rund hundert Jahre alt, hatte im Zweiten Weltkrieg deutliche Schäden erlitten und war für die Zwecke der Wehr eigentlich vollkommen untauglich. Mit deutlichen Worten charakterisierte Kreisbrandmeister Backes Anfang 1960 in einem Bericht an das Ordnungsamt des Kreises Düren die Mängel:


„Die Gerätehäuser des Amtsbezirks Birgel wurden am 14.1.1960 durch die Herren Oberinspektor Harscheidt und Kreisbrandmeister Backes unangemeldet besichtigt.

In allen Gemeinden des Amtsbezirks sind Gerätehäuser. Die Einrichtung und Pflege der Ausrüstungen in den Gerätehäusern der Gemeinde Berzbuir, Birgel und Lendersdorf waren ausreichend. Wohingegen das Gerätehaus in Gürzenich als sehr schlecht und unzureichend zu bezeichnen ist. Das Gürzenicher Gerätehaus ist viel zu klein, die Wände (alle Wände) sind so nass und feucht, dass sie mit einer z.T. dicken Schimmelschicht behaftet sind, die Ausrüstung ist ebenfalls von Schimmel und Pilzbildung befallen. Aus diesem Grunde können auch keine Bekleidungsgegenstände oder Hakengurte und Rettungsleinen hier aufbewahrt werden. Die Gemeinde muss angehalten werden, hier Abhilfe zu schaffen. Die Ausrüstung ist nicht ausreichend einsatzfähig."

Zur gleichen Einschätzung waren die Gürzenicher allerdings schon vier Jahre vorher gekommen. In der Jahreshauptversammlung 1956 hatte man dieses unerfreuliche Thema diskutiert und einen Antrag an die Gemeinde beschlossen, der wenige Tage später offiziell gestellt wurde. Beklagt wurde, dass trotz aller Pflegeaufwendungen seitens der Wehrmitglieder „eine Sauberhaltung, aber auch keine vollkommene Einsatzbereitschaft aller Geräte mehr möglich" sei. Feuchtigkeit, Moder und ewiger Staub machten alle Anstrengungen zunichte. „Aber auch im Hinblick auf die Zukunft", hieß es in dem Antrag weiter, „darf es auch in Ihrem Interesse liegen, bei der Sorge um einen ausreichenden Brandschutz für die jetzt über 4000 Menschen zählende Gemeinde endlich neben allen Gemeindesorgen sich der Notwendigkeit einmal zuzuwenden, für die ehrenamtlich tätigen Feuerwehrmänner eine ordnungsgemäße Unterkunft zu schaffen. Es darf hierbei nicht außer acht gelassen werden, dass:
1.) die Lage Ortszentrum ist
2.) der Feuerwehr ein so notwendiger Schulungsraum zur Verfügung stände und
3.) endlich ein Übungsplatz, auf den wir nicht verzichten können, vorhanden ist." Beantragt wurde konkret der Erwerb des Grundstücks der sog. „Trümmerschule" an der Hauptstraße 63, um darauf ein neues Gerätehaus zu errichten.


Es zogen allerdings noch einige Jahre ins Land, ehe sich der Gemeinderat konkret mit der Verwirklichung eines Neubaus beschäftigte. Wahrscheinlich gab den endgültigen Anstoß erst die oben zitierte Besichtigung durch Kreisbrandmeister Backes, die ja in ihrer Einschätzung nichts an Deutlichkeit zu wünschen ließ. Jedenfalls fanden schon zwei Monate später konkrete Besprechungen an Ort und Stelle mit der Regierung Aachen statt. Schwierigkeiten bereitete jedoch offensichtlich die Auswahl eines geeigneten Grundstücks für den Neubau, die mit den verschiedensten Behörden abgestimmt werden musste. So sah sich Wehrführer Berger im Juni 1961 zu einem erneuten „Brandbrief" veranlasst. „Wie Ihnen allg. bekannt, ist das vorhandene Feuerwehrgerätehaus feucht, vom Schwamm durchsetzt und baulich in einem mehr als schlechten Zustand. Wir wissen, dass der Rat der Gemeinde sich in den vergangenen Jahren mehrfach mit dem Neubauproblem ernst und erfolgversprechend beschäftigt hat. Leider konnte man bei allen Bemühungen bis heute noch zu keiner Lösung kommen.


Wir bedauern daher, dass durch die Auffassung des Kreisbauamtes der Gerätehausbau in der Barbarastr. nicht zur Durchführung gelangen kann. Seit einigen Jahren haben wir Ihnen folgende Vorschläge als Neubauplätze für ein Gerätehaus zur Beratung vorgeschlagen:
1. Hauptstr. 125 ehemals Porschen
2. Hauptstr. 67 Trümmerschule
3. Markt 1
4. Neue Schule
5. Barbarastr.
6. Trümmerschule


Das Gelände der Trümmerschule - Hauptstr. 67 - scheint in Kürze erneut einen breiten Beratungsraum bei Ihnen einnehmen zu müssen. Wir wissen auch, dass wir nicht die einzigen Interessenten für dieses Gelände sind. Trotzdem sind wir der Meinung, Ihnen, als den verantwortlichen Ratsmitgliedern der Gemeinde und im Hinblick auf die Pflichtaufgaben nach dem Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz, sagen zu müssen, dass für die Erfüllung aller Aufgaben, die da sind
1. Ausbildung und Ausrichtung der Mitglieder
2. Geräteunterstellung und Pflege
3. Übungsplatz
4. zentrale, beste Ortslage
das Gelände der Trümmerschule, als das einzige Eigentum der Gemeinde inmitten der Ortslage, auch die einzige, vernünftige Unterbringungsmöglichkeit für die Frw. Feuerwehr sein kann. Unsere Mitglieder kommen aus allen Schichten der Bevölkerung, aber auch aus allen Ortslagen der Gemeinde. Die zentrale Lage der Trümmerschule bietet eine Gewähr für eine abgekürzte Alarm- und Ausrückezeit. Man sollte aber auch heute schon bei den Überlegungen die Aufgaben mit einbeziehen, die Ihnen und uns in naher Zukunft für den zivilen Bevölkerungsschutz als Pflichtaufgaben übertragen werden.


Damit sprechen wir gleichzeitig die Planungen für ein Feuerwehrgerätehaus an. Außer den 3 Kfz-Hallen einen nicht allzu großen Werkraum und Abstellplatz für tragbare Geräte, einen Schulungsraum, eine ausreichende Toilettenanlage, ein Bad od. Duschraum und eine Gerätewartwohnung.
Der Gemeindebrandmeister wäre Ihnen, im Auftrage aller Mitglieder der Feuerwehr, dankbar, wenn Sie ihm Gelegenheit geben würden, an Ihren Beratungen zu diesem Punkt anwesend sein zu können.
Wir dürfen zum Abschluss noch mal darum bitten, sich vor Augen zu halten, wie oft und wie viele Jahre wir vor Ihnen Bittsteller gewesen sind, dass eine schönere und zentralere Lage als die der Trümmerschule nicht mehr vorzuschlagen ist und dass wir alle aus Gründen der Verantwortung ein gemeinsames Ziel recht bald in diesem günstigen Rechnungsjahr erfüllen sollten."


Willi Berger hatte Erfolg - zwar entschied sich der Gemeinderat letztendlich doch für das Grundstück an St. Barbara, aber immerhin wurde im November 1961 der Bau eines neuen Gerätehauses beschlossen. Nach den Plänen des Gürzenicher Architekten Potschernik, der den ausgeschriebenen Wettbewerb gewonnen hatte, wurde an der südwestlichen Seite des neu entstehenden Wohngebietes „An St. Barbara" mit Ausfahrt zum Kirchendriesch ein Gebäude mit drei Garagen, einem Geräteraum, einem Unterrichtsraum, Waschräumen und Toiletten sowie einer Wohnung für den Gerätewart errichtet - ganz so, wie es Berger gefordert hatte.

 

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Am 1. Oktober 1963 konnte die neue Heimstatt für die Freiwillige Feuerwehr Gürzenich ihrer Bestimmung übergeben werden. „Eine Keimzelle der Verantwortung und der Nächstenliebe im ganzen Ort" nannte Bürgermeister Schnitzler das neue Haus bei der Einweihung. Gekostet hatte der Bau rd. 194.000 DM, wozu das Land fast 47.000 DM und der Kreis 10.000 DM beisteuerten.
Die Freiwillige Feuerwehr Gürzenich hatte die Fertigstellung des neuen Gerätehauses zum Anlass genommen, wenn auch etwas verspätet ihr 65jähriges Stiftungsfest zu feiern. Aus diesem Anlass waren Vertretungen der Feuerwehren
aus dem ganzen Kreisgebiet und viele Ehrengästeanwesend. Ein Festzug mit mehr als 700 Teilnehmern war der glanzvolle Höhepunkt der Feierlichkeiten.

 

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Ein imposanter Festzug bewegte sich durch das Dorf

 

Ihre moderne Ausrüstung und gute Ausbildung demonstrierte die Feuerwehr der Bevölkerung regelmäßig mit großen Übungen. Eine solche im Jahr 1964 nahm sie zum Anlass, den Kontrast zwischen dem Brandschutz heute und den Möglichkeiten vor hundert Jahren aufzuzeigen. „Zur Schlußübung hatten sich am Samstagabend an der Hauptstraße zahlreiche Schaulustige eingefunden. So konnte Bezirksbrandmeister Backes, einst selbst Brandmeister in Gürzenich, der die Übung über den Lautsprecherwagen des Kreises kommentierte, auch Bürgermeister Schnitzler an der Spitze des Gemeinderates, Amtsbürgermeister Simons und Amtsdirektor Schmitz begrüßen. [...] Anhand der Übungen vermittelte Backes dann einen Überblick über die Entwicklung des Feuerschutzes in den letzten Jahrzehnten. Zunächst radelte ein Melder durch das Dorf, um mit der Trompete die Wehrleute zusammenzurufen. Und schon eilten die Helfer, mit Fahrrad oder per pedes. Auch die museumsreife 'Prantsprötz' kam noch einmal zu Ehren und konnte beweisen, dass sie auch heute noch leistungsfähig ist. Die Übung mit den modernen Hilfsmitteln ließ aber dann den Fortschritt der Zeit deutlich werden. Drei Sirenen rufen heute in Gürzenich die Männer zu der: Einsätzen. In Windeseile rauschte das LF 16 der Gemeinde mit neun Mann Besatzung heran. Zunächst wurde der vermeintliche Brand mit einem Rohr aus dem 800-Liter-Tank bekämpft, bevor das aus dem Dorfbach gepumpte Wasser acht C-Rohre versorgte.

 

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Auch mit der alten „Prantsprötz" wurde noch einmal Einsatzbereitschaft demonstriert

 

Als Verstärkung rückte dann noch ein TLF 8 des Zivilen Bevölkerungsschutzes an, das in Gürzenich stationiert ist und auch für kommunale Zwecke verwandt werden darf. Auch dieses Fahrzeug hat einen 800-LiterTank und verfügt über fünf C-Rohre, so dass die Gürzenicher Wehr insgesamt 13 Rohre gegen den angenommenen Brand in Stellung brachte. Außerdem verfügt die Wehr über modernes Rettungsgerät und einen Leiterpark [tragbare Leiterin], mit dem in Gürzenich jedes Gebäude erstiegen werden kann."

 

 

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Die Wehr im Jahre 1968
Obere Reihe, von links: Franz-Karl Stein, Norbert Fuchs, Kaspar Klein, Willi Berger jun., Leo Jansen
Mittlere Reihe, von links: Hubert Esser, Georg Dienstknecht, Reinhard Boving, Toni Eismar, Wilhelm Stüttgen,

Willi Berger, Peter Schmitz, Peter Sackes, Ulrich Stückgen, Heinz Heiden, Theo Gallmann, Hans Pütz,

H. Heinrichs, Christian Borichgans, Willi Groß, Peter Lennartz, Walter Tombers
Kniend, von links: Hubert Leyens, Josef Müller, Willi Wolff, Ferdie Antons, Alfred Schnitzler